Author Topic: Was nun, ferner Bärtiger?  (Read 4274 times)

ChrisW

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Was nun, ferner Bärtiger?
« on: February 14, 2006, 11:14:24 pm »
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Was nun, ferner Bärtiger?
Wir sind beleidigt, denn unsere traditionellen Werte werden mit Füßen getreten. Meinungsfreiheit und Vernunft sind uns heilig. Und die Erde ist keine Scheibe mehr, nur zur Erinnerung. Ein Weckruf


VON SONIA MIKICH

Ich bin beleidigt.

Eiferer nageln den Schleier an die Gesichter meiner Schwestern in Afghanistan und Pakistan fest und hängen fleißig Frauen, Homosexuelle, Ehebrecher und Ungläubige.

Aber Menschen-, Frauen-, Freiheitsrechte sind für mich das Erhabenste der Menschheitsgeschichte, so ist nun mal die Tradition, in der ich groß geworden bin. Werte, die die Welt besser und friedlicher machen.

Ich verlange also, dass sich die Regierungen von Saudi-Arabien, Palästina, Indonesien und Ägypten bei mir entschuldigen. Andernfalls muss ich ihre Bürger leider bedrohen, zusammenschlagen, entführen oder enthaupten. Denn ich bin empfindlich, wenn es um meine kulturelle Identität geht.

Ich bin beleidigt.

Fanatiker sprengen die Buddhas von Bamiyan in die Luft, großartige Kulturdenkmäler.

Aber Kunst drückt für mich universelle Schönheit und Unschuld aus, sie ist ein Wert, der die Welt besser und friedlicher macht, so ist nun mal die Tradition, in der ich groß geworden bin.

Ich verlange also, dass sich die Hamas, der Sprecher der französischen Muslime, die Leitung der Al-Azhar-Universität sich bei mir entschuldigen.

Andernfalls werde ich leider nie meinen Urlaub am Tadsch Mahal verbringen, zum Boykott palästinensischen Obstes aufrufen und die Botschaften von Tunesien, Katar und Bangladesch anzünden.

Denn - so viel Verständnis erwarte ich - meine Gefühle sind absolut und darum global auszudrücken.

Ich bin beleidigt.

Auf Videos wird Journalisten, Lkw-Fahrern oder Mitgliedern von Hilfsorganisationen die Kehle durchgeschnitten oder der Kopf abgeschlagen. Juden sehen sich als Kannibalen und Schweine dargestellt, westliche Frauen als dekadente Nutten. Unpolitischen Ingenieuren wird Todesangst gemacht.

Alles im Namen Gottes.

Ich verlange also, dass alle Chefredakteure von Zeitungen und Fernsehsendern in der islamischen Welt sich bei mir entschuldigen, weil sie diese Obszönitäten nicht verhindern.

Viele Menschen sind nun besorgt, dass der Kampf der Kulturen bevorsteht. Ach was, er ist längst da. Und er manifestiert sich nicht nur von Zeit zu Zeit in den oben angeführten Ungeheuerlichkeiten, er erfasst längst den Alltag.

Wie fragil, wie oberflächlich müssen die religiösen Werte von Muslimen sein, wenn Karikaturen des Propheten in einer unbekannten Zeitung eines kleinen europäischen Staates einen Sturm auslösen und eine Handvoll organisierter Hetzer weltweit Abertausende auf die Straße scheuchen können.

Der Witz, dass dem Propheten Mohammed im Paradies die Jungfrauen ausgehen, weil so viele Selbstmordattentäter am Eingang Schlange stehen, ist schwarz und gemein. Und angesichts der Realität weltweiter Anschläge unerfreulich bildmächtig - ganz nebenbei.

Aber ich fand es auch nicht besonders komisch, dass die frauenhassenden Taliban sich routiniert Prostituierter bedienten. Oder Videorekorder und Fernseher öffentlich "hinrichteten", um privat sich ganz gern Pornos reinzuziehen.

Zur Erinnerung. Die Erde ist keine Scheibe mehr. Selbstverständlich können Individuen einer säkularen Demokratie Autoritäten karikieren und verspotten, auch religiöse. Sie sollen sich auf Kritik einstellen, aber nicht auf Bestrafung.

Die Meinungsfreiheit ist sehr groß zu fassen, und es gibt hinreichende Gesetze und Regeln, Missbrauch zu verhindern, wo es nötig wird.

Der Film "Leben des Brian" regte viele Christen auf und provozierte Leserbriefe, Boykottaufrufe oder Familienstreit. Aber niemand im fernen Neuseeland konstatierte eine "Stimmungsmache" gegen das Christentum, niemand in Malta fühlte sich berufen, den Union Jack zu verbrennen.

Auch politische Autoritäten haben kein Naturrecht auf Schonung. Margaret Thatcher wurde von britischen Journalisten, Komikern und Drehbuchautoren klein gehäckselt und garstig wieder zusammengesetzt, und es war gut für die geistige Hygiene jener Zeit und brachte niemanden um.

Man konnte ja abschalten, weggucken oder die Zeitung in die Tonne kloppen. Meinungsfreiheit war der siamesische Zwilling der Freiheit von Angst.

Dass Fundamentalisten aller Couleur frei von jeglicher Fähigkeit zur Selbstreflexion, Selbstkritik oder gar Selbstironie sind, wäre weiter nicht erwähnenswert, wenn sie ihre Herzensangelegenheiten nicht mir und meiner Welt aufdrücken würden. Sie setzen voraus, dass unsereins einen Kotau veranstaltet, weil einer von ihnen bekennt: "Achtung! Religiöse Gefühle! Wir verlassen die Privatsphäre!"

Gefühle werden zunehmend in der selbstreferentiellen Welt der Gottes-, Allah- oder Jahwekrieger zur Waffe und zur letzten Instanz geadelt.

Allzeit abrufbar, gnadenlos.

Im Streit um die Cartoons wird behauptet, dass der Bilderverbot ein verbindlicher Glaubensgrundsatz sei. Ubiquitär zu respektieren, auch im Staate Dänemark.

Da macht es nachdenklich, dass die Beleidigten zwar effizient mit Internet und anderen modernen Kommunikationstechnologien umgehen, aber wenig über die eigene Kulturgeschichte wissen.

Ja, in der Blütezeit des Islam wurde der Prophet tatsächlich abgebildet. Zum Beispiel Mohammed, zart verschleiert, zu Pferd gen Himmel reitend - eine wunderbare persische Miniatur im Chester-Beatty-Museum in Dublin.

Was nun, ferner Bärtiger? Irische Butter boykottieren?

Ich muss mich nicht für die Verkaufszahlen dänischer Joghurte interessieren. Darum bin ich nicht besonders erpressbar und habe die Freiheit, Immanuel Kants "sapere aude" vielversprechender für das Zusammenleben von Menschen zu finden als eine Fatwa.

Ich gebe es hiermit auf, Zartgefühl für ewig Beleidigte zu empfinden. Ich gebe es auf, höflich zu argumentieren, warum Meinungsfreiheit, Vernunft und Humor hochgehalten werden müssen. Ich will Kreationisten nicht mehr wissenschaftliche Beweise vorlegen müssen, dass die Erde älter als 10.000 Jahre ist.

Und ich warte nicht mehr darauf, dass es bei al-Dschasira irgendwann einmal heißen wird: Kennen Sie den Witz mit dem Bart des Propheten?

Sonia Mikich, 55, ist TV-Journalistin

taz vom 6.2.2006, S. 13, 213 Z. (Interview), SONIA MIKICH
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« Reply #1 on: February 14, 2006, 11:29:08 pm »
passend zum Thema..."So lacht der Mullah!"   LINK

Thomesch

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Was nun, ferner Bärtiger?
« Reply #2 on: February 14, 2006, 11:35:17 pm »
Meinungsfreiheit hin und her, aber dann sollen die tollen journalisten auch da runter gehen, wenn die botschaft brennt und die leute rausholen, denn die haben die mohammed-karrikaturen nich in die welt gesetzt. Oder noch besser, wenns wieder ma kracht, werden die gleich zur Infantrie eingezogen, um für ihr meinung zu an vorderster Front zu kämpfen. Die Soldaten die ihren arsch dafür aufs spiel setzen dürfen, geben die zeitung schließlich nicht heraus. Wenn ich dann großschnäutzige französische Chefredakteure im Sessel sitzten sehe, die irgendwas von Pressefreiheit labern, wird mir schlecht.


Ach und bevor wir die Muslime als die oberarschlöcher weltweit abstempeln:vor paar hundert jahren gabs ma sowas wie kreuzzüge, da waren die achso zivilisierten Christen keinen deut besser.l
Und draußen in dem dunklen Forst
Erwacht die Gans im Adlerhorst.
Sie sieht sich um und spricht betroffen:
"Mein lieber Schwan war ich besoffen!"

Mad

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« Reply #3 on: February 15, 2006, 01:49:24 pm »
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Originally posted by Thomesch@14.2.2006 - 23:35
Ach und bevor wir die Muslime als die oberarschlöcher weltweit abstempeln:vor paar hundert jahren gabs ma sowas wie kreuzzüge, da waren die achso zivilisierten Christen keinen deut besser.l
was jedoch keinen moslem legitimiert so zu handeln...

wenn ich nen professor als arschloch beschipfe hat der auch nciht das recht alle durch fallen zu lassen...
abgesehen davon solltest du dir mal die arabischen sender anschaun... da wird nur hetze betrieben, rassismus, intoleranz und hass sind dort was hier zu lande babara salesch und gzsz sind, nämlich nachmittags- und abend-unterhaltung. sicherlich sind solche karikaturen nich gerade respektvoll und ich möchte sie in keinster weise rechtfertigen oder legitimieren, aber wer austeilt sollte auch einstecken können, das sollten auch moslems wissen...

man sollte nicht außer acht lassen, dass es genau das ist was die christen vor rund 500jahren getan haben ok, aber ich könnte jetzt die brücke schlagen und sagen, der islam ist auch 500jahre jünger udn liegt somit "voll im soll", aber angesichts der geschichte und der freiheit im geiste jedes einzelnen, sollte es wohl doch nicht so schwer sein, daraus zu lernen was christen falsch gemacht haben.

fazit: wer den tod aller juden fordert, wird wohl ne karikatur über seine gottheit aushalten...
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ChrisW

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« Reply #4 on: February 15, 2006, 02:50:25 pm »
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Originally posted by Thomesch@14.2.2006 - 23:35
Meinungsfreiheit hin und her, aber dann sollen die tollen journalisten auch da runter gehen, wenn die botschaft brennt und die leute rausholen, denn die haben die mohammed-karrikaturen nich in die welt gesetzt. Oder noch besser, wenns wieder ma kracht, werden die gleich zur Infantrie eingezogen, um für ihr meinung zu an vorderster Front zu kämpfen. Die Soldaten die ihren arsch dafür aufs spiel setzen dürfen, geben die zeitung schließlich nicht heraus.
Ich nehme an, dass du dieselbe Behandlung auch für Hassprediger, Präsident Ahmadinejad und die diversen Terrorfürsten empfiehlst.
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Was nun, ferner Bärtiger?
« Reply #5 on: February 15, 2006, 04:22:24 pm »
..
Lange Nacht
der Wissenschaft!
Reimt sich nacht.
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In Bierstube nachgedacht
Heureka! Drehmomentkraft!
Reimt sich immer noch naft.

ChrisW

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Was nun, ferner Bärtiger?
« Reply #6 on: February 15, 2006, 04:34:42 pm »
...und man sollte nicht vergessen: Humor ist sicherlich die mildeste Form Mördern und Anstiftern zum Mord zu begegnen, die aufgrund ihrer vorgeblichen religiösen Gefühle morden.
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